Vor der Verlagsbewerbung oder der Veröffentlichung geben viele Autoren ihr Werk nach zahlreichen eigenen Überarbeitungsdurchgängen in fremde Hände, um es noch einmal auf Herz und Nieren prüfen und optimieren zu lassen.
Vor allem beim Selfpublishing kommt man an einem professionellen Lektorat und einem abschließenden Korrektorat nicht vorbei, wenn man mit den Verlagen mithalten und seinen Lesern ein unvergessliches Leseerlebnis bieten will. Häufig herrscht jedoch Verwirrung, was die Begriffe Korrektorat und Lektorat betrifft. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen diesen beiden Leistungen, warum ist die letztere deutlich teurer als die erstere und welche ist die passende für Sie? Hier finden Sie die Antworten.
Was ist ein Korrektorat?
Ein Korrektorat ist das, was sich vermutlich die meisten Menschen unter dem „Korrekturlesen“ vorstellen. Es handelt sich dabei in erster Linie um eine Fehlerkorrektur, was bedeutet, dass Rechtschreib-, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler beseitigt werden. Zusätzlich werden in der Regel aber auch Schreibweisen vereinheitlicht, beispielsweise, wenn Abkürzungen verwendet werden oder es nach dem Duden verschiedene Möglichkeiten gibt, ein Wort richtig zu schreiben (zum Beispiel „Grafik“ und „Graphik“).
Beim Korrektorat erfolgen allerdings keine weiteren Eingriffe in den Text, sodass einzelne Passagen oder Sätze nur umformuliert oder strukturell verändert werden, wenn sie sonst grammatikalisch nicht korrekt wären. Typische Beispiele hierfür sind Wortstellungsfehler (zum Beispiel „weil sie ist krank“), unvollständige Sätze, also solche, denen beispielsweise das Subjekt fehlt (zum Beispiel „Muss mal schauen.“), oder mit „dass“, „obwohl“, „aber“, „weil“ usw. eingeleitete Nebensätze, die allein (das heißt ohne zugehörigen Hauptsatz) stehen und daher mit dem vorherigen oder nachfolgenden Satz verknüpft oder entsprechend ergänzt werden müssen (zum Beispiel „Obwohl sie es versprochen hat.“).
Hierbei ist natürlich zu berücksichtigen, dass jede Textsorte ihre Eigenarten hat und Fehler nicht gleich Fehler ist. In wissenschaftlichen Arbeiten sollten grammatikalische Schnitzer in jedem Fall ausgebessert werden und auch in Bewerbungsanschreiben, Geschäftsbriefen usw. haben sie nichts zu suchen. Doch vor allem in der Belletristik werden sie oft gar nicht als solche wahrgenommen. So können Wortstellungsfehler oder auch Buchstabendreher in der wörtlichen Rede eine Figur sogar besonders authentisch wirken lassen, wenn es sich beispielsweise um ein Kind handelt oder ihr sozialer Hintergrund gemäß dem literarischen Grundsatz „Show, don’t tell“ durch ihren Sprachgebrauch dargestellt werden soll, statt ihn nur erzählerisch zu beschreiben. Auch unvollständige Sätze werden hier häufig ganz gezielt eingesetzt, um Spannung zu erzeugen, den Text aufzulockern oder die Gedanken und Gefühle einer Figur möglichst direkt wiederzugeben und dem Leser so die Identifikation mit ihr zu erleichtern. Ob eine sprachliche Korrektur vorgenommen werden muss oder nicht, ist also zumindest zum Teil eine Frage des Stils, der zwar primär zu den Gegenständen des Lektorats gehört, aber in diesem Sinne auch im Korrektorat eine Rolle spielt.
Und was ist ein Lektorat?
Ein Lektorat umfasst meistens gleichzeitig auch ein Korrektorat, geht aber weit über dieses hinaus, da neben Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung sowie deren Einheitlichkeit auch stilistische, inhaltliche und/oder strukturelle Aspekte berücksichtigt und oft umfassende Änderungen vorgenommen werden. Es werden beispielsweise im Text enthaltene Fakten wie Jahreszahlen oder Namen (sofern mit moderatem Aufwand möglich) auf ihre Richtigkeit überprüft, Sätze umformuliert, Absätze ausgetauscht und neu verknüpft, unnötige Wörter oder ganze Passagen gestrichen oder fehlende Informationen hinzugefügt. Es wird zudem auf die innere Kohärenz der Geschichte, die Entwicklung der Figuren und die Einheitlichkeit des Sprachgebrauchs geachtet und auch hier angepasst, was nach Ansicht des Lektors anzupassen ist.
Diese Anpassungen sind, wenn es nicht gerade um historische Daten geht, bei denen man häufig tatsächlich von „richtig“ oder „falsch“ sprechen kann, vor allem eins: Verbesserungsvorschläge. Sie sollen dazu beitragen, dass ein Roman sich spannender liest und seine Handlung sowie seine Figuren glaubhafter werden, ein wissenschaftlicher Text gehobener oder „wissenschaftlicher“ klingt und eine Broschüre besser von ihrer Zielgruppe verstanden wird – kurz gesagt, dass ein Text seine Funktion, ob nun Unterhaltung, Information oder Aufklärung, erfüllt. Ein professioneller Lektor schreibt oder stellt nichts aus einer Laune heraus oder wegen seines persönlichen Geschmacks um, sondern kennt sich mit unterschiedlichen Textsorten, Genres usw. sowie deren Zielgruppen aus und bemüht sich, den jeweiligen Text dementsprechend zu optimieren. Nichtsdestotrotz bleiben die vorgenommenen Änderungen Empfehlungen, Vorschläge, die vom Autor ebenso für gut befunden und übernommen wie auch als unpassend wahrgenommen und abgelehnt werden können. Schließlich können die Vorstellungen darüber, was ein angemessener Stil oder eine gute Gliederung ist, weit auseinandergehen und es besteht anders als beim reinen Korrektorat, bei dem man sich auf feste Rechtschreib-, Grammatik- und Zeichensetzungsregeln berufen kann, ein großer Interpretations- und Entscheidungsspielraum für den Autor wie den Lektor.
In aller Regel vertraut Ersterer Letzterem jedoch, sonst hätte er ihn ja nicht beauftragt. Das Lektorat hat somit oft einen großen Einfluss auf die finale Form eines Textes, weshalb Lektoren auch gern als „geheime“ oder „unsichtbare (Co-)Autoren“ bezeichnet werden. Tatsächlich ist die Grenze zum Ghostwriting je nach der Stärke des Eingriffs in den jeweiligen Text fließend. Dies ist auch der Grund dafür, dass viele Lektoren (so auch ich) bei wissenschaftlichen Texten nur ein stilistisches Lektorat inklusive Korrektorat anbieten und den Inhalt sowie die Struktur bei der Überarbeitung außen vor lassen. Zwar zeigt sich wissenschaftliches Können ein Stück weit auch im Schreibstil, doch es kommt nicht selten vor, dass eine Person zwar fachlich versiert, aber sprachlich einfach nicht begabt ist, sodass Verbesserungen hier vertretbarer sind, als zum Beispiel auf falsche oder fehlende Inhalte hinzuweisen oder den Text neu zu gliedern.
Wieso ist ein Lektorat so viel teurer als ein Korrektorat?
Bis hierhin ist bereits klar geworden, dass es erheblich schwieriger und aufwändiger ist, einen Text zu lektorieren, als ihn nur Korrektur zu lesen. Zudem kommentieren viele Lektoren ihre Änderungsvorschläge, um diese für ihre Kundschaft nachvollziehbar zu machen. All das kostet natürlich Zeit, die man sich auch entlohnen lassen will und muss, um von seiner Arbeit leben zu können. Daneben erfordert ein Lektorat aber auch wesentlich mehr Konzentration als ein bloßes Korrektorat, da von der Rechtschreibung über die Struktur bis hin zum Stil verschiedenste Faktoren einbezogen werden müssen, und ein über reine Sprachkenntnisse hinausgehendes Allgemein- sowie literarisches und/oder fachliches Wissen, Recherchefähigkeiten, ein Auge fürs Detail und ein Gespür für die Zielleserschaft sowie den richtigen Ton. Der Lektor ist hier also deutlich stärker gefordert und stellt seinem Kunden all sein Können zur Verfügung. Auch hieraus ergibt sich der höhere Preis für Lektorate im Vergleich zu Korrektoraten.
Was brauche ich für meinen Text?
Ob ein Korrektorat oder ein Lektorat das Richtige für Sie ist, hängt letztendlich von Ihrer persönlichen Einschätzung ab. Wenn Sie der Ansicht sind, dass die Gliederung für den Leser nachvollziehbar sowie der Sprachstil stimmig ist und auch keine inhaltlichen Änderungen mehr nötig sind, ist ein Korrektorat vollkommen ausreichend, um Ihren Text veröffentlichungsreif zu machen. Besteht diesbezüglich Ihrer Meinung nach aber noch Nachbesserungsbedarf, sollten Sie ein Lektorat in Auftrag geben und sich über das reine Korrekturlesen hinaus bei der Vollendung Ihres Textes unterstützen lassen. Wenn Sie unsicher sind, welche der beiden Leistungen eher Ihren Bedürfnissen entspricht, können Sie dem Lektor Ihrer Wahl eine Textprobe zukommen lassen und um eine Empfehlung bitten. Wer seriös arbeitet, wird Sie aufrichtig beraten und Ihnen kein teures Lektorat „aufschwatzen“, wenn Sie nur ein Korrektorat brauchen.
Zusätzlich sollte auch berücksichtigt werden, wie wichtig Ihnen Ihr Text ist und zu welchem Zweck Sie ihn geschrieben haben. Wenn Sie monate- oder gar jahrelang an Ihrem Roman gesessen und eine emotionale Bindung zu ihm aufgebaut haben, sollte dieser mit einem gründlichen Lektorat angemessen wertgeschätzt und wirklich das Beste aus ihm herausgeholt werden. Hingegen reicht es bei einem einfachen Websitetext meist aus, wenn dieser einfach keine offensichtlichen Rechtschreib- oder Grammatikfehler enthält, auch wenn er stilistisch vielleicht nicht perfekt ist.
Letzten Endes ist die Wahl der Leistung auch eine Budgetfrage. Wenn die Kosten für ein vollständiges Lektorat Ihre Möglichkeiten übersteigen, können Sie auf ein bloßes Korrektorat ausweichen, um Ihren Text zumindest zu verbessern, wenn auch nicht auf allen Ebenen zu optimieren.
Fazit
Während es beim Korrektorat vor allem um die klassische Fehlerkorrektur geht, wird ein Text im Lektorat darüber hinaus hinsichtlich stilistischer, inhaltlicher und/oder struktureller Gesichtspunkte überarbeitet. Ob es sich für Sie lohnt, in ein Lektorat zu investieren, hängt letztlich von Ihrer persönlichen Einschätzung und Ihrer konkreten Situation ab. Auch ein Korrektorat ohne zusätzliche Umformulierungen kann den Eindruck, den ein Text vermittelt, schon erheblich verbessern. Wenn Sie unsicher sind, hilft Ihnen ein Profi gern, die richtige Entscheidung zu treffen.